Freitag 15. Mai früh zwischen 7.30 und 9.30 bei der Schmitte: Schönstes Wetter, etwa 30 Schaulustige, ein riesiger Kran aus Stauffenberg, der 50 Tonnen heben kann, ein langer Schwertransporter mit Gothaer Kennzeichen. Mittendrin der frohe Vorsitzende des Heimatvereins Rodheim-Bieber, Helmut Failing, der erleichtert und geduldig immer wieder von den Hindernissen beim Transport des Waggons und andere Geschichten um die Bieberlies erzählte.
Aus luftiger Höhe geholt: Ursprünglich wollte Helmut Failing mit in die Schweiz fahren, um den Waggon in Empfang zu nehmen. Corona verhinderte es. Der Waggon, der heute in Biebertal seine neue Heimat fand, ist Jahrgang 1905 und war zuletzt für Transporte der Dampfbahngesellschaft am Furka-Pass eingesetzt. (Dort wurden einige berühmte Szenen des James Bond – Films „Goldfinger“ gedreht). Am ersten Transporttag hatte es in der Gegend geschneit, enge, kurvige Straßen machten das Fahren zur Herausforderung. Am Mittwoch früh sollte es in Weil am Rhein über die Grenze gehen. Stattdessen ein langer Stopp, der nichts mit Corona zu tun hatte, sondern mit Zollbestimmungen. Erst ging es lange um die Wertermittlung. Der Schrottwert wurde mit 9100€ eingeschätzt und konnte auf 5000€ heruntergehandelt werden. Privatleute brauchen keine Zollnummer, aber der Import wurde ja für einen Verein durchgeführt. Den ganzen Mittwoch verbrachte Helmut Failing am Telefon. Dank des Fellingshäusers Wolfgang Schmidt, einem Im- und Exportkaufmann, ging es dann binnen einer Stunde.
Der Eisenbahnwaggon in Biebertal: Am Donnerstagabend trafen LKW und Kran in Rodheim ein. Zu bewundern waren die Technik des Krans und die Techniken des Kranführers und seiner Kollegen beim Anheben und Umsetzen des Waggons. Selbst der Firmeninhaber war extra nach Biebertal gekommen. Der Waggon wiegt gut 8 Tonnen, jedes Tau kann 3 Tonnen anheben, der Kran selber 50. Als nächstes geht es darum, den Waggon außen abzuschleifen und danach grün zu lackieren, damit er die Farbe der alten Bieberlies-Wagen bekommt. Später soll der Innenausbau folgen mit der Einrichtung eines kleinen Museums.
Ein Kleinwagen für die Arbeit Der Heimatverein mit Helmut Failing hat etwa dreieinhalb Jahre nach einem passenden Waggon gesucht und dabei mehr als 50 Anfragen in viele Länder Europas geschrieben. Wenn er die dabei aufgewendete Zeit mit Mindestlohn bezahlt bekäme, könne er sich einen neuen Kleinwagen dafür kaufen, meinte Failing. An vielen Orten standen passende Waggons, auch mit der richtigen Spurbreite von 100 cm, aber entweder wollten die Besitzer sie selber behalten oder der Preis war unvorstellbar hoch. Die Furka-Dampfbahngesellschaft gab sich mit einer Spende von 1300 Schweizer Franken zufrieden.
Nebenbei: Hätte man heute noch die Loks und Waggons, die nach 1963 verschrottet wurden, so könnte man damit gut den Gemeindehaushalt sanieren.
Der letzte russische Zar und die Bieberlies 1905 besuchte Zar Nikolaus II seinen Schwager Großherzog Ernst Ludwig in Darmstadt anlässlich dessen Hochzeit mit Eleonore von Solms (Zu dieser Heirat wurde der Darmstädter Hochzeitsturm gebaut). Der Großherzog wollte seinem Schwager die Heimat seiner Frau zeigen. Bis Gießen ging es mit der Bahn, dann mit der Kutsche durch Heuchelheim Richtung Königsberg und Hohensolms. Am Abendstern stand die Bieberlies quer auf der Straße und verhinderte die Weiterfahrt. Im Zarenreich hatten wenige Wochen zuvor 150.000 Arbeiter gestreikt, was blutig niedergeschlagen wurde. Der Zar witterte wohl auch bei der quer stehenden Bieberlies einen Aufruhr und empörte sich so, dass er nicht mehr weiterfahren wollte. Das „Solmser Lorchen“ hatte diese Bahnfahrt aber schon oft mit der Mutter gemacht und wusste, hier war ein besonders zuvorkommender Schaffner, der den aussteigenden Damen die Koffer trug – und das dauerte eben. Das flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr, der beruhigte den Zaren, und die weitere Fahrt verlief ungestört.
Quelle: Helmut Failing
Fotos Eveline Renell
Anhang: Nachricht zum Waggon – Pressemitteilung von Helmut Failing vom 15.Mai 2020 12.00 Uhr
Zum Wagen: Hersteller: SIG 1905 Gewicht 8.05 to. Länge 10,1 Mtr. Achsabstand 6 Mtr.
Sitzplätze(ausgebaut) ehemals 40 Mehrmals repariert und etwas umgebaut, sowie die Außenbleche erneuert. Lieferant Dampfbahn Furka Andermatt Schweiz.
Zur Vervollständigung des Industriedenkmals: Biebertalbahn vor der Hof Schmitte. Der Wagen wird in Eigeninitiative wieder in der Originalfarbe olivgrün angestrichen. Die Bieberliesfreunde werden gebeten zur Mitarbeit. Der Innenraum wird evtl als Ausstellung zur Bieberlies genutzt.
Grundsätzliches: Was lange währt wird endlich gut!
3,5 Jahre hat der Heimatverein vergeblich in Deutschland und halb Europa nach einen passenden Wagen gesucht. Dann plötzlich konnten wir einen Wagen aus der Schweiz bekommen. Leider verzögerte sich der Transport wegen Probleme beim Zoll um einen Tag.