Vor 76 Jahren: Bombardement auf Bieber und Frankenbach

Boeing B-17 bei einem Angriff über Europa im Zweiten Weltkrieg

Kurz bevor die Amerikaner am 28. Mai 1945 Biebertal besetzten, wurde am Mittwoch, den 14. März, der Ort Bieber bombardiert, am 27. März Frankenbach.
Zu den insgesamt 13 Opfern dieser Bombenangriffe zählten neben anderen auch die 25-jährige Hildegard Lenz vom Hof Haina, an deren Gedenkstein in diesem Jahr die Feier anlässlich des Volkstrauertages 2021 für Bieber und Rodheim stattfindet. Die Osterwalds ruhen im Familiengrab in Gießen, die Gräber der anderen Opfer existieren nicht mehr.

Die anlässlich ihrer Beerdigung verfassten Trauerworte sollen neben weiteren Zeitzeugenworten in den Gedenkveranstaltungen zum diesjährigen Volkstrauertag zur Sprache kommen – so ist den Biebertaler Nachrichten vom 12. Nov. 2021 zu entnehmen.
Bürgermeisterin Patricia Ortmann, alle gewählten Ortsvorsteher/innen, Helmut Failing in Bieber, Ekkehard Löw in Frankenbach, Steffen Balser für die Vereinsgemeinschaft in Fellingshausen und Pfarrerin Neugeborn trugen in allen Ortsteilen zur Gestaltung anlässlich des Volkstrauertages bei.

Aus dem Text der Pfarrerin Christin Neugeborn:
“Dieser Tag mahnt uns. Er ist eingeschrieben in die eigene Lebensgeschichte. Der Kreis der privaten Trauer soll heute überschritten werden. Wir denken auch an die auf der Flucht erfrorenen Kinder, die verbrannten Familien in den Städten und die Menschen, die im Krieg ihr Leben lassen mussten. Die Kinder, die nie Papa sagen konnten. Die Toten sind unser aller Toten. Sie haben sich eingeschrieben in unsere Geschichte.
Die Trauer, wie die um diese jungen Menschen, ist ja zunächst eine ganz persönliche Sache. Ein Akt von Eltern, Geschwistern, Frauen und Kindern, Freunden und Lehrern. Jeder Tote, um den getrauert wird, ist irgendjemandes Kind.
Die damaligen Trauerworte überschreiten indes diesen Kreis der privaten Trauer gleichermaßen: sie sollen der Allgemeinheit ein Bewusstsein ihrer Toten geben. Tote, deren Lebensgeschichte durch Systeme, Verstrickungen, Hass und Irrsinn durch falsche lebensverneinende Ideale ausgelöscht worden sind. Tote, die sich in die Geschichte eingeschrieben haben und die einer Geschichte zum Opfer gefallen sind, die unser aller Geschichte geworden ist. Eine Geschichte, die uns mehr und mehr einholt und durch die rasante Veränderungen unserer Welt ganz ungute Dynamiken hervorbringt. Dynamiken, denen wir uns stellen müssen, die uns unruhig machen und die mit einfachen Antworten nicht mehr zu erklären sind.
Und doch: es sind allein wir Menschen, die diese Geschichte anders schreiben, den Fortgang dieser Geschichte mitgestalen, mit Lebensbejahung und Menschenliebe entgegentreten können, um solche Katastrophen zu verhindern.”

Aus dem Text der Bürgermeisterin Patricia Ortmann:
“Wir stehen sprachlos, im Gebit und Gedenken hier auf dem privaten Friedhof Hof Hainia. Wir gedenken der Menschen, die im Krieg ihr Leben gelassen haben. Den Menschen, die ihren Ehemann, ihre Verwandten, ihre Freunde verloren haben. Denen, die unfreiwillig aus ihrem Leben gerissen wurden. Möge es niemals mehr Krieg, Tod und Vernichtung geben. Dafür müssen auch wir – hier vor Ort – Flagge zeigen. Dafür braucht es sehr viel Mut.”

Helmut Failing, Vorsitzender des Heimatvereins Rodheim-Bieber, der die Angriffe als Kind selbst miterlebt hat:
“Mit dieser Gedenkfeier wollen wir an den schrecklichen Luftangriff vor 76 Jahren erinnern und gleichzeitig mahnen, dass heißt alles zu tun, damit sich solche schlimmen Ereignisse nicht wiederholen. Der jüdische Publizist Elie Wiesel sagte einmal: Es gibt nur den einen Weg, mit dem Unvorstellbaren umzugehen, wir müssen uns und allen anderen wieder und wieder daran erinnern und dies wollen wir heute mit dieser Gedenkfeier tun.”

Beim Bombenangriff auf Bieber gab es insgesamt 7 Todesopfer zu beklagen. Davon waren drei Personen aus Bieber, eine aus Hof Haina, zwei aus Gießen und eine aus Bersrod.
Da es damals noch keine Leichenhalle gab, worden die Opfer in dem Feuerwehrgerätehaus in Bieber neben der heutigen Kirche aufgebahrt.
Volker Götz wurde nur 2 Jahre alt. Beim Bombenangriff fiel eine Bombe direkt auf das schlafende Kind.
Willi Thomé wurde 23 Jahre alt. Als Kriegsversehrter arbeitete er in einem Außenbüro einer Gießener Firma im Waldweg 14 in Bieber. Dort wurde er mit seinem 26jährigen Arbeitskollegen Hans Böcher, der aus Bersrod stammte, vom Bombenangriff überrascht. Beide Männer starben unter den Trümmern des einstürzenden Hauses.
Waldtraud Gerlach, 20 Jahre alt, hatte auf dem Weg in den Nikolausstollen der Grube Abendstern, der als Luftschutzbunker diente, ihre Uhr vergessen, lief zurück in ihr Elternhaus im Waldweg 10, das direkt getroffen wurde.
Hildegard Lenz, 25 Jahre alt, Irmgard Osterwald, 27 Jahre alt, und ihr Sohn Wolfgang, 2 Jahre alt, starben auf Hof Haina.

Helmut Failing erinnerte auch an die Trauerrede des Dekan i. R. Karl Schmidt aus Gießen von damals:
“Liebe Trauergemeinde, wie oft haben wir dieses Wort gedankenlos ausgesprochen: Totaler Krieg. Das bedeutet, dass nicht nur unsere Soldaten draußen in Feindesland kämpfen, sondern dass auch Frauen und Kinder, Greise und Säuglinge in die Kampffront eingereiht sind. Wer hätte gedacht, dass unser stilles Waldtal die Schrecken des Krieges erleben müsste! Und nun stehen wir in dieser frühen Morgenstunde an einem Grab, in das blühendes junges Menschenleben versenkt wird. Was mag in Eurer Seele vorgegangen sein, Ihr Trauernde! Es ist bitter, wenn das Haus der Heimat in Trümmer sinkt, und die Statte es Friedens eine Stätte der Vernichtung wird. Über Trümmern kann ein neues Haus aufgebaut werden. Das Bitterste ist es, am Sarge zu stehen, der Liebstes birgt. Menschenleben ist nicht zu ersetzen, … So bleibt uns in solcher Stunde der Verzweiflung nur der Weg des Glaubens offen. Aber dieser Weg ist bitter schwer zu begehen. Es ist das Resultat heißer schwerer Kämpfe, wenn der Psalmist sagt: Herr ich hoffe auf dich und spreche >Du bist mein Gott, meine Zeit steht in deinen Händen<.

Foto: wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bomber